Dem “Bildungsplan Gymnasiale Oberstufe – Rahmenvorgabe für das Seminar” lassen sich folgende Informationen zur Gestaltung von Lernsituationen und Leistungsbewertung in der Obberstufe an Hamburger Gymnasien entnehmen. (Hervorhebungen von mir.)
“…
Grundsätze für die Gestaltung von Lernsituationen und zur Leistungsbewertung
[…]
Lernsituationen
Das Lernen in der gymnasialen Oberstufe beinhaltet Lernsituationen, die auf den Kompetenzzuwachs der Schülerinnen und Schüler ausgerichtet sind. Unterricht dient nicht nur der Vermittlung oder Aneignung von Inhalten, vielmehr sind wegen des im Kompetenzbegriff enthaltenen Zusammenhangs von Wissen und Können diese beiden Elemente im Unterricht zusammenzuführen. Neben dem Erwerb von Wissen bietet der Unterricht den Schülerinnen und Schülern auch Gelegenheiten, dieses Wissen anzuwenden, ihr Können unter Beweis zu stellen oder mittels intelligenten Übens zu kultivieren. Das bedeutet, dass im Unterricht neben der Vermittlung von Wissen auch dessen Situierung erforderlich ist, also das Arrangieren von Anwendungs- bzw. Anforderungssituationen (Problemstellungen, Aufgaben, Kontexten usw.), die die Schülerinnen und Schüler möglichst selbstständig bewältigen können.
Der Unterricht ermöglicht individuelle Lernwege und individuelle Lernförderung durch ein Lernen, das in zunehmendem Maße die Fähigkeit zur Reflexion und Steuerung des eigenen Lernfortschritts fördert und fordert. Das geschieht dadurch, dass sich die Schülerinnen und Schüler ihrer eigenen Lernwege bewusst werden, diese weiterentwickeln sowie unterschiedliche Lösungen reflektieren und selbstständig Entscheidungen treffen. Dadurch wird lebenslanges Lernen angebahnt und die Grundlage für motiviertes, durch Neugier und Interesse geprägtes Handeln ermöglicht. Fehler und Umwege werden dabei als bedeutsame Bestandteile von Erfahrungs- und Lernprozessen angesehen.
Ein verständiger Umgang mit aktuellen Informations- und Kommunikationstechnologien und ihren Kooperations- und Kommunikationsmöglichkeiten wird zunehmend zu einem wichtigen Schlüssel für den Zugang zu gesellschaftlichen Wissensbeständen und zur Voraussetzung für die Teilhabe an den expandierenden rechnergestützten Formen der Zusammenarbeit. Deshalb gehört der Einsatz zeitgemäßer Technik zu den generellen Gestaltungselementen der Lernsituationen aller Fächer. Er wird damit nicht selbst zum Thema, sondern ist eingebunden in den jeweiligen Unterricht und unterstützt neben der Differenzierung und dem individuellen Lernen in selbst gesteuerten Lernprozessen auch die Kooperation beim Lernen. Es werden Kompetenzen entwickelt, die zum Recherchieren, Dokumentieren und Präsentieren bei der Bearbeitung von Problemstellungen erforderlich sind und eine möglichst breit gefächerte Medienkompetenz fördern. Der kritische Umgang mit Medien und die verantwortungsvolle Erstellung eigener medialer Produkte sind in die Arbeit aller thematischen Kontexte einzubeziehen.
Lernen im Profilbereich ist fachübergreifendes und fächerverbindendes Lernen. Inhalte und Themenfelder werden im Kontext und anhand relevanter Problemstellungen erfasst, außerfachliche Bezüge hergestellt und gesellschaftlich relevante Aufgaben verdeutlicht. Projekte, an deren Planung und Organisation sich die Schülerinnen und Schüler aktiv und zunehmend eigenverantwortlich beteiligen, spielen hierbei eine wichtige Rolle. Lernprozesse und Lernprodukte überschreiten die Fächergrenzen. Dabei nutzen die Lernenden überfachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten auch zu Dokumentation und Präsentation und bereiten sich so auf Studium und Berufstätigkeit vor.
Außerhalb der Schule gesammelte Erfahrungen und Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler werden berücksichtigt und in den Unterricht einbezogen. Kulturelle oder wissenschaftliche Einrichtungen sowie staatliche und private Institutionen werden als außerschulische Lernorte genutzt. Die Teilnahme an Projekten und Wettbewerben, an Auslandsaufenthal-ten und internationalen Begegnungen erweitern den Erfahrungshorizont der Schülerinnen und Schüler und tragen zur Stärkung ihrer interkulturellen Handlungsfähigkeit bei.
Leistungsbewertung
Die Betonung der Selbstständigkeit und Eigenverantwortung der Lernenden, die stärkere Orientierung auf die Lernprozesse und die Kompetenzen zu deren Steuerung beinhalten eine verstärkte Hinwendung zu komplexen, alltagsnahen Aufgaben. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler an der Gestaltung des Unterrichts sowie an der Bewertung von Leistungen in einem erheblichen und wachsenden Umfang mitwirken können.
Diese neue Lernkultur erfordert eine Veränderung von einer eher isolierten und punktuellen Leistungsbeur-teilung hin zu einer auf Prozesse und Partizipation ausgerichteten Leistungsbewertung. Es geht zunehmend darum, Lernprozesse und -ergebnisse zu beschreiben, zu reflektieren, einzuschätzen und zu dokumentieren.
Bei der Leistungsbewertung werden Prozesse, Pro-dukte und deren Präsentation einbezogen. Übergeordnetes Ziel der Bewertung ist es, Lernprozesse und ihre Ergebnisse zu diagnostizieren. Leistungsbewertung gewinnt so an Bedeutung für die Lernplanung. Prüfungs- und Bewertungsvorgänge werden so angelegt, dass sie Anlässe zur Reflexion, Kommunikation und Rückmeldung geben und damit zur Verbesserung des Lernens beitragen. Die Fähigkeit zur Leistungsbewertung ist selbst Bildungsziel. Die Schülerinnen und Schüler erwerben dabei die Fähigkeit, ihre eigenen Leistungen realistisch einzuschätzen.” ((BILDUNGSPLAN GYMNASIALE OBERSTUFE – Rahmenvorgabe für das Seminar, Freie und Hansestadt Hamburg Behörde für Schule und Berufsbildung Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (2009) S. 6-7))
Warum ich diesen Textauszug hier einstelle
Eigentlich betreffen mich diese Inhalte nicht, weil ich kein Lehrer bin. Gleichzeitig beschäftigen mich die Themen Lehrer Aus- und Fortbildung. In diesem Zusammenhang habe ich den zuvor zitierten Text gefunden.
Beim lesen des Textes bin ich über einige Abschnitte gestolpert (s. Hervorhebungen) die mich sofort an eines meiner bevorzugten Themen im Bereich Medien und Bildung denken lassen.
Der Einsatz von Blogs zur Unterstützung von Bildungsprozessen. Ich will gar nicht sagen, dass man nach der Lektüre des Textes sofort mit dem Bloggen anfangen muss oder seine Schülerinnen und Schüler zum Bloggen treiben sollte, aber für die Zweifler ob Blogs ein adäquates Mittel im Bildungsbereich sein kann scheint mir hiermit eine Legitimation erteilt worden zu sein.
Das gehen eigener Lernwege und die Reflexion des eigenen Lernprozesses sollen gefordert und gefördert werden. Fehler und Umwege werden als bedeutsam anerkannt. Der Umgang mit Zeitgemäßer Medientechnologie und die kritische und verantwortungsvolle Medienproduktion, verbunden mit breit gefächerter Medienkompetenz in einem Fächer- und Lebensbereichübergreifenden Kontext soll gefördert werden.
Leistungsbewertung zu erlernen und die Berechtigung Peer-Reviews im Rahmen der Leistungsbewertung zu integrieren klingen für mich nach einem verändertem (Selbst?)verständnis von dem was im Rahmen von Schule und Unterricht passieren kann/darf/soll. Beim Lesen dieser Zeilen habe ich das Gefühl, dass Aspekte des Lebenslangen Lernens stärker Berücksichtigung finden können als bisher.
Gleichzeitig gibt es schon eine Vielzahl von schulischen Projekten die mit Blogs (und anderen Social Media Diensten) arbeiten. Zur Anregung habe ich hier ein paar Beispiele aufgeführt.
Beispiele
S2 Profil Sport – Religion Schöpfung und Evolution
http://blogs.hamburg.schulcommsy.de/276082_2801252/
“Migration und Integration” im Unterricht des 12. Jahrgangs der Stadtteilschule Bahrenfeld im Herbst 2011
http://migrationintegration.wordpress.com/
Schülerblog Kunstprofil 12. Klasse Barenfeld
http://bk12bah.wordpress.com/
Ethik Grundkurs 2011-13 Arbeitsbuch, philosophisches Tagebuch, Notizzettel, Kommunikation, Diskussion
http://ethik13.wordpress.com/
Physik in Klasse 12
Einblicke in einen Physikunterricht.
http://bbstphysik12.wordpress.com/
WEBLOG MIT INFORMATIONEN ZUM ABI 2013 (G8)
http://abi2013kas.wordpress.com/
WEBLOG DES MUSIKPROJEKTES KLASSE 5 DER KAS
http://kaskeys.wordpress.com/
Maik Riecken (Arbeiten mit Blogs)
http://riecken.de/index.php/2010/09/ramb-riecken-arbeitet-mit-blogs-folge-1/
Englishkurs zu “Coming of Age”
http://gk13-comingofage.blogspot.de/
Squash Media Students
http://squashwm.arena4you.de/
Erörterung: Einsatz von iPads im Unterricht
http://www.breuer-info.de/2011/12/06/erorterung-einsatz-von-ipads-im-unterricht/
Weitere Ideen & Inspirationen:
Wiki der KAS
http://wikis.zum.de/kas/Hauptseite
Hole in the wall
http://de.wikipedia.org/wiki/Hole_in_the_Wall ((Seite „Hole in the Wall“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 20. Oktober 2010, 13:53 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Hole_in_the_Wall&oldid=80502847 (Abgerufen: 23. Mai 2012, 09:44 UTC) ))
Sugata Mitra: The child-driven education
http://www.ted.com/talks/sugata_mitra_the_child_driven_education.html
Unterrichts- und Schulblogs in Lisa Rosas Blogwerkstatt
http://lisarosa.wordpress.com/praxisbeispiele/unterrichts-und-schulblogs/
Liste bloggener Lehrer
bit.ly/bloggendelehrer
Philippe Wampfler zu bloggen im Unterricht
http://schulesocialmedia.com/2012/03/17/bloggen-im-unterricht/
Philippe Wampfler zu Twitter im Deutschunterricht
http://schulesocialmedia.com/2012/05/01/zeichenbegrenzungen-kreativ-nutzen-twitter-im-deutschunterricht/
Deutschstunde Online
http://www.youtube.com/user/deutschstundeonline/videos
RSA Animate – Changing Education Paradigms
http://www.youtube.com/watch?v=zDZFcDGpL4U&feature=fvwrel
Workshopdoku zum individualisierten Unterrichten mit Weblogs
http://appelt.net/2010/06/individualisiertes-unterrichten-mit-weblogs/
Stufenmodell Schuelerpartizipation in Unterrichtsblogs
http://www.flickr.com/photos/adesigna/4699514902/
Kompliment! Ein sehr verdienstvoller Ansatz! Die unterrichtsbegleitende Blogarbeit stellt sicher zur Zeit den fortschrittlichsten und umfassendsten Ansatz zur integrierten Medienarbeit in der Schule dar. Man darf jedoch nicht vergessen, dass damit auch ein enormer Aufwand verbunden ist, vor allem für LehrerInnen, die damit noch nicht vertraut sind. Daher sollten auch andere Ansätze berücksichtigt werden, die vielerorts schon praktiziert werden. Sehr viele Schulen arbeiten mit Lerning Management Systemen wie lo-net2 oder Moodle. Diese LMS kann man durchaus für kollaborative Lernformen nutzen, nicht nur für Content-Verwaltung. Wenn man den SuS genügend Rechte einräumt, kann man gemeinsam Recherchearbeit betreiben, an Texten arbeiten, Präsentationen erstellen etc. Diese prozess- und produktorientierte Arbeitsweise hat vor allem für die SuS einen enormen Vorteil bei der Abiturvorbereitung, wenn alle SuS ihre individuellen Vorbereitungsschwerpunkte dokumentieren und den anderen als Möglichkeit anbieten. Dieses Vorgehen ermöglicht gleichzeitig eine sehr effektive Portfolio-Arbeit, alle individuellen Lernprozesse sind für alle durchsichtig, jeder kann sich mit jedem vergleichen und alle können gemeinsam Bewertungen und Schlussfolgerungen für das personalisierte Lernen vornehmen. Die Abiturthemen können zwar nicht beeinflusst werden, aber die persönliche Sinngebung innerhalb des Rahmens wird ermöglicht. Die Beratungsfunktion der Lehrperson kann voll zum Tragen kommen, sowohl individuell als auch im gemeinsamen Kursgespräch. Diese Alltagsgeschäfte von Unterricht, die für die SuS zentral sind, solange es Abschlussprüfungen gibt, kann man schwerlich auf einem Blog realisieren, sie gehören in einen geschützten Bereich.
@Klaus Meschede:
Benötigt man für den Umgang mit LMSen wirklich weniger Aufwand als für ein WordPress-Blog?
Die LMS die ich kenne, zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen alle erdenklichen Web 2.0 Lern- und Lehrformen integriert sind, die völlig unterschiedliche didaktische Szenarien ermöglichen und um eine klare, übersichtliche, motivierende Lernumgebung zu schaffen nicht wahllos kombiniert werden sollten.
Wenn man die einzelnen Methoden (Blogs/Wiki/Podcast/Foren) als Lehrender nicht beherrscht, wird man diese auch in einem LMS nicht sinnvoll zum Einsatz bringen können.
Dazu kommt, dass wichtige Grundlagen, wie der Umgang mit urheberrechtsgeschützen Materialien, die Gefahr von Abmahnungen und ähnliche Basics mit denen man umgehen können muss, wenn man sich vernünftig im richtigen Internet bewegen möchte, in LMS völlig ausgeblendet werden können, da die Kursumgebungen in der Regel ihren TeilnehmerInnen vorenthalten bleiben.
Klar auf den Punkt gebracht: LMS ermöglichen medien- und internetinkompetenten Lehrenden auch so zu tun, als würden Sie moderne Lehr- und Lernformen in ihrem Unterricht einsetzen und verschleiern damit die Tatsache, dass viel zu wenig getan wird um Schülerinnen, Schüler, Studentinnen und Studenten auf das echte Leben (bzw. das echte Internet) vorzubereiten.
Den Mehrwert, diese Tätigkeiten in den geschlossenen digitalen Raum zu verlagern, halte ich für gering. Derartige Gruppenarbeit persönlich, mit echter sozialer Interaktion durchzuführen halte ich für erstrebenswerter als ihn in vergleichsweise unpersönliche, rein textbasierte Foren/Wikis/Portfolios zu verlagern.
Nur einige Impulse als Denkanreiz 🙂
Vor einiger Zeit noch war ich auch von der Sinnhaftigkeit von LMS überzeugt, mittlerweile sehe ich das offensichtlich etwas anders.
Gruß
Michael
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